Zeitstrahl

Obwohl Bischofthum vermutlich zwischen 1342 und 1351 entstand, wird auch die Zeit davor kurz gestreift, um aufzuzeigen, dass in Pommern infolge mehrerer Wanderungsbewegungen im Verlaufe einiger Jahrhunderte ein polyethnisches Volk, die Pommern, entstand, dem die Gründung Bischofthums zugeschrieben werden kann.

Deutsche Stämme

Bereits seit 4.000 v. Chr., möglicherweise seit 8.000 v. Chr. war dieser Landstrich an der südlichen Küste der Ostsee bewohnt. Nach Erkenntnissen der Archäogenetiker wurden während der Bronzezeit, also vor etwa 5.200 Jahren, in Mittel- und Westeuropa fast 90 % der Y-Chromosomen verdrängt und durch das Erbgut von eingewanderten Männern aus der Steppe nordöstlich des Kaspischen Meeres ersetzt. Diese Einwanderer trafen an der Ostseeküste auf eine bereits ansässige Urbevölkerung, die möglicherweise durch die vermutlich einschleppte Pest größtenteils ausgelöscht wurde.

Quelle: Der Spiegel, Nr. 8 vom 16.02.2019

Diese Erkenntnis, aus archäologischen Skelettfunden gewonnen, wird gestützt von Erkenntnissen des Unternehmens Igenea, die anhand der nur von Frauen vererbten mitochondrialen DNA (mtDNA) belegen, dass 50 Prozent der deutschen Frauen eine germanische Abstammung haben, aber nur sechs Prozent der deutschen Männer.

Andere Erkenntnisse von Archäogenetikern in Verbindung mit denen von Linguistikern belegen, dass indoeuropäische Völkerstämme aus Osteuropa ab ca. 3000 vor Chr. in mehreren Wellen in Mittel- und Westeuropa eindrangen, sich in ihren jeweiligen Kolonien mit der dort ansässigen Bevölkerung mischten, die slawischen, baltischen, germanischen und keltischen Sprachen entwickelten und unterschiedliche Bräuche ausbildeten.

Quelle: Der Spiegel, Nr. 20 vom 12.05.2018

Den Sprachen und Kulturen entsprechend wurden und werden etliche Völker unterschieden. In Hinterpommern stellten bis zur Völkerwanderung germanische Stämme die dominierende Ethnie, wie z.B. die Goten, danach die slawischen Pomoranen.

Mit der Ostkolonisation, im 12. Jahrhundert beginnend, übernahmen niederdeutsche Siedler die Vorherrschaft. Die deutsche Bevölkerung wurde nach dem 2. Weltkrieg mittels einer ethnischen und religiösen Säuberung fast vollständig von Polen aus Hinterpommern vertrieben.

Mit anderen Worten: Die Bewohner dieses hinterpommerschen Landstrichs waren vermutlich seit der Einwanderung der indoeuropäischen Völkerstämme, spätestens nach der gotischen Epoche aufgrund der erneuten Mischung mit osteuropäischen Genen im Zuge der Völkerwanderung und insbesondere nach der Ostkolonisation multiethnischer Abstammung.

D.h., nur in fachübergreifender Arbeit ist mithilfe der Genetik eine plausible Verknüpfung von archäologischen Funden und sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen mit Ethnien möglich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Annahmen manchmal auf numerisch kleinen Funden beruhen und der Zufall eine Rolle spielen kann. Ein erste grobe Zuordnung von Einwohnern einer Region zu Völkerstämmen ist mithilfe der Haplogruppen möglich. Haplogruppen kann man sich als große Äste des menschlichen Stammbaumes vorstellen, die jeweils durch charakteristische Mutationen, das sind Kopierfehler der DNA. Die genetischen Profile jedes Mitglieds einer Haplogruppe ähneln sich. Einer Haplogruppe des Y-Chromosoms gehören Männer an, die über einen gemeinsamen Vorfahren in rein männlicher Linie verfügen. Das Y-Chromosom wird immer vom Vater an den Sohn weitergegeben.

Die vorliegenden Forschungsergebnisse belegen, dass die heute lebenden männlichen Deutschen zu 45 Prozent Nachfahren der Kelten sind und der Haplogruppe R1b angehören. Die heute im ehemaligen Hinterpommern heimischen Polen gehören größtenteils einer osteuropäischen Volksgruppe mit der Haplogruppe R1a an.

Dominante y-DNA Haplogruppen in Europa, vereinfachte Darstellung

Die Trennlinie der Haplogruppen R1a und R1b auf der Höhe Pommerns bildet die heutige Staatsgrenze von Deutschland und Polen, die Oder. Für eine über die abgebildete vereinfachte Darstellung hinausgehende Bestimmung der geographischen Verteilung der Ethnien liegt noch keine ausreichende Anzahl von Genproben vor.

Dennoch werden verschiedentlich von Polen mit Hinweis auf eine angeblich slawische Urbevölkerung Eigentumsrechte an Pommern geäußert. Gleichwohl verbietet sich jegliche Beanspruchung dieses oder eines anderen Landstrichs mit Hinweis auf den zeitweiligen Wohnsitz mutmaßlicher Vorfahren, zumal …

  • zunächst Einigkeit über den zutreffenen Zeitraum und die entsprechende Ethnie hergestellt werden müsste.
  • manche Historiker die Slawen als Nachfahren der Protogermanen ansehen und umgekehrt die Germanen als Abkömmlinge der Protoslawen, ohne dafür Belege vorweisen zu können.
  • die geografische Heimat der Goten und die der Pomoranen, bevor sie in Hinterpommern ansässig wurden, umstritten ist.

Die jeweiligen Bevölkerungen zeichnen sich durch unterschiedliche Sprachen und Kulturen aus, insbesondere fallen bei den R1a geprägten Völkern die Unterlegenheitsbekundungen gegenüber den R1b-Ethnien auf, die sich häufig im Vorwurf der Diskriminierung ausdrücken.

Wie bereits oben angedeutet, sind in Europa bereits etliche Ethnien ersetzt worden und deren Kulturen verschwunden. Das Verschwinden von Kulturen kann in unterschiedlichen, manchmal parallelen Prozessen stattfinden: als Assimilierung, Überschichtung, Abwanderung oder Auslöschung. Bezogen auf Hinterpommern treffen vermutlich alle Begriffe mehr oder weniger zu und sind abhängig von der historischen Epoche und von der Auslegung des Beobachters.

Assimilierung

Assimilierung bezeichnet Anpassungsprozesse von Personen oder Gruppen an eine vorgefundene Kultur.

Assimilierung setzt überwiegend eine Ansiedlung in friedlicher Nachbarschaft voraus. Solche Gemeinschaftsbildung oder Einebnung der Unterschiede benötigt mehrere Generationen.

Überschichtung

Bei einer Überschichtung dehnt eine überlegene Kultur ihren Einfluss auf die von ihr vorgefundene Gesellschaft aus und ersetzt deren Gewohnheiten. Eine Variante kann die Verdrängung einer einheimischen Funktionsschicht, z.B. der Aristokratie, sein.

Abwanderung

Im Sinne dieser Chronik bezeichnet Abwanderung die freiwillige Aufgabe des angestammten Siedlungsgebietes. Ein Grund kann der Verlust der Ernährungsgrundlage sein, ökonomische Verdrängung genannt, z.B. bei (wiederholten) witterungsbedingten Ernteausfällen. Die Abwanderung wegen drohender Gefahren für Leib und Leben durch Verfolgung oder Krieg wird politische Verdrängung genannt.

Auslöschung

Der Begriff Auslöschung umschreibt die unfreiwillige Aufgabe der Heimat. Damit ist das Entfernen eines Volksstamms oder von Andersgläubigen aus einem bestimmten Territorium bezeichnet, also die ethnische Säuberung oder die religiöse Säuberung. Dies erfolgt zumeist durch gewaltsame Vertreibung, Umsiedlung oder Mord.

Auch Epidemien durch eingeschleppte Krankheiten, gegen die die Immunabwehr der ansässigen Bevölkerung nicht gefeit ist, können zu deren Auslöschung führen (epidemische Auslöschung), wie es vermutlich den in der Steinzeit an der Ostseeküste heimischen Menschen ergangen ist.

Vorgeschichtliche Jahrhunderte

In diversen Berichten wird eine Verknüpfung von archäologischen Funden mit ethnischen Völkern versucht. Leider sind solche Hypothesen oft nicht zu verifizieren, weil eindeutige Belege fehlen bzw. archäologische Funde subjektiv interpretiert werden. Kulturen und Ethnien sind offenbar zwei unterschiedliche Sachen, die nicht unbedingt miteinander verbunden werden können.

  • Bereits vor 4000 v. Chr. war die Ostseeküste besiedelt, wie Funde am Meeresgrund belegen. Welcher Kultur die Bewohner angehörten, muss noch erforscht werden.

    Die Gegend um Schlawe (polnisch: Sławno) war bereits 4000 Jahre vor Christus besiedelt oder zeitweise bewohnt, wie die Urnenfunde und Grabanlagen am Rauhen Berg (Chropa Wiec) bei Tychow bezeugen.

    Wikipedia Tychow

  • Jüngere Steinzeit in Pommern

    (3000 bis 2000 vor Chr.)

    Die Träger der nordischen Kultur besetzten von Dänemark aus Rügen und Vorpommern, drangen längs der Küste bis Hinterpommern und südöstlich durch die Uckermark bis in den heutigen Kreis Pyritz vor und trafen hier auf Siedler der Donaukultur, deren Spuren auch in anderen Teilen Pommerns festzustellen sind. Gegen Ende der Steinzeit breitete sich die in Mittelpommern heimisch gewordene Kultur der Oberschnurkeramiker weiter nach Osten aus.

    Martin Wehrmann, 1919

    Die in Pommern reichlich vorhandenen eiszeitlichen Findlinge wurden von den prähistorischen Bewohnern zum Bau von Steinkisten, Dolmen und megalithischen Gräbern benutzt …

    … in der Regel derart, daß die glatten Schliffflächen nach innen gewendet und einige wenige (3–4) große Steine als Deckel oben drauf gelegt wurden.

    Wilhelm Deeke, S. 176

    Die Archäologen datieren die Entstehung der nordischen Variante der megalithischen Gräber, die über weite Teile Europas und in ähnlichen Bauweisen verbreitet waren, mehrheitlich in die mittlere Jungsteinzeit etwa zwischen 3500 und 2800 v. Chr.

    Die Bewohner des Weichseldeltas, die der Haffküsten-Kultur angehörten, fertigten aus Bernstein Schmuck- und Kultgegenstände an und betrieben auf dieser Basis einen regen Handel. Das Einflussgebiet der Haffküsten-Kultur reichte im Westen bis an die Persante.

  • Bronzezeit

    (2000 bis 500 vor Chr.)

    Aus Vorpommern, das zum urgermanischen Gebiet gehört, drangen die Germanen in der mittleren und jüngeren Bronzezeit in zwei Keilen nach Osten vor: längs der Küste bis zur Weichselmündung, und durch die Uckermark nach Mittelpommern. Um 1000 v. Chr. saßen an der unteren Oder, teilweise in festen Burgen, die nördlichen Vorposten der Lausitzer Kultur. Gleichzeitig bildete sich im Weichselmündungsgebiet die früh-ostgermanische Kultur, die Wielbark-Kultur, die sich aus der Oxhöft-Kultur (Oksywie-Kultur) entwickelte und die westgermanische bis hinter die Rega zurückdrängte.

    Martin Wehrmann, 1919

    Vereinfachte Karte der europäischen Kultur

    Lausitzer Kultur [pink], Knovízer Kultur [blau], zentrale Urnenfelderkultur [rot], Nordische Urnenfelderkultur [orange], Danubische Kultur [braun], Kulturen der westeuropäischen Bronzezeit [grün], Kulturen der Nordischen Bronzeit [gelb].

    Wikipedia Urnenfelderkultur

    Manche Quellen nennen für 1300–500 v. Chr. ein größeres Verbreitungsgebiet der Lausitzer Kultur (violett), das nicht nur das Odergebiet, sondern auch das spätere Hinterpommern umfasste. Beispielsweise scheint der pommersche Kreis Schlawe …

    … beim Übergang der Bronzezeit in die Eisenzeit stark besiedelt gewesen zu sein, wie aus den vielen Steinkisten in Wendisch-Tychow, Nemitz, Pollnow, Sydow, Hanshagen, Segenthin, Peest u. a. erhellt. In dieser Zeit drangen die Westgermanen über die Oder bis zur Weichsel, stießen dort mit den Ostgermanen zusammen und wurden von ihnen wieder zurückgedrängt, …

    Familie von Kleist Wendisch-Tychow

    Quelle: Baltische Studien_NF 43, 1955
  • Eisenzeit

    (seit 500 v. Chr. – Ende 1. Jahrhundert v. Chr.)

    Um 150 vor Chr. wurden Vorpommern und Rügen von einen aus dem westlichen Mecklenburg kommenden nordsuebischen Stamm besetzt, dessen Kultureinfluss bis nach Hinterpommern reichte. Von Bornholm aus besetzten die Burgunden, ein germanischer Stamm, das Gebiet zwischen Oder und Persante.

    Die Wanderbewegungen verliefen bevorzugt entlang der Flüsse. Wegen der dichten Urwälder waren die Flüsse bei der Einwanderung die besten Erschließungsstrecken. Die Lasten transportierenden Tiere – und nicht nur die – waren hier am einfachsten mit Wasser zu versorgen.

    So ist z. B. die Eroberung des ostpommerschen Landes entlang der Weichsel von ihrer Mündung in Richtung Süden, dann der Sprung zur Netze nach Westen und entlang der Küddow und der Persante weiter in Richtung Ostseeküste vorstellbar.

    Die Heimat der oben erwähnten Burgunden könnte Skandinavien sein. Lange Zeit sollen sie auf der Ostseeinsel Bornholm ansässig gewesen sein, die noch im 13. Jahrhundert Burgundarholm genannt wurde. Im 2. Jahrhundert gingen die Burgunden auf Wanderschaft.

    Martin Wehrmann, 1919

    Die Burgunden lebten vor ihrer Wanderschaft zwischen der Vistula (Weichsel) und dem die westliche Grenze bildenden Fluss Suebus (Oder-Spree-Havel-Unterlauf), das heißt, im heutigen Westpolen (Hinterpommern) und Teilen Brandenburgs.

    Wikipedia Burgunden

    Für das Gebiet, in dem später Bischofthum entstehen sollte, gilt, dass dort bereits in prähistorischer Zeit Träger verschiedene Kulturkreise aufeinander stießen, sodass Assimilierungen anzunehmen sind oder Überschichtungen durch die dominierende Kultur.

    Daneben fand vermutlich ein reger Wissensaustausch durch Kaufleute statt, die über große Entfernungen auf den Handelsstraßen unterwegs waren, davon zeugen die Namen der Altstraßen: Salzstraße, Bernsteinstraße usw. Die ersten Spuren der Bernsteinstraße, die von der Ostsee nach Rom verlief, werden auf das 5. Jh. v. Chr. datiert.

    Die oben angeführten und die nachstehenden Bilder zur geografischen Verteilung der Kulturen sind Beispiele, die die wechselnden Einflüsse in Hinterpommern und das Dilemma bei der Abgrenzung der Kulturen und die Schwierigkeit der Zuordnung von Kulturen zu bestimmten Ethnien verdeutlichen sollen.

    Die Gegend um das spätere Bischofthum war scheinbar um 500 v. Chr. bis zur Zeitenwende unbewohnt, denn aus dieser Zeit sind Kulturgüter bisher hier nicht nachgewiesen worden:

    Frühe Eisenzeit (um und vor 500 v. Chr.) Nordische Gruppe [dunkelgrün], Jastorfkultur [dunkelrot], pommerellische Gesichtsurnenkultur [grün], westbaltische Hügelgräberkultur [violett].

     

    Von etwa 500 v. Chr. bis zur Zeitenwende (vorrömische Eisenzeit) herrschten an der Ostseeküste zwei Kulturen vor: die Jastorf-Kultur [dunkelrot] und die Oxhöft-Kulur [braun].

     

    Wikipedia Germanen

  • Die Wielbark-Kultur, die von manchen Forschern den frühen Goten zugerechnet wird, ersetzte im letzten Jahrhundert vor der Zeitenwende die Oxhöft-Kultur. Für den Beginn der Kultur ist kennzeichnend, dass Friedhöfe der Oxhöft-Kultur unter grundsätzlicher Änderung der Bestattungssitten weiterbenutzt wurden.

    Wikipedia Oxhöft-Kultur

    Die Gräberfelder der Wielbark-Kultur befinden sich in einem Gebiet zwischen Persante/Küddow im Westen, der Weichsel im Osten, der Netze im Süden und der Ostsee im Norden.

    Der Ursprung der Goten ist umstritten. Zur Zeitenwende siedelte im Bereich der Weichselmündung, der Region der Wielbark-Kultur, ein Volk, das antiken Autoren wie Tacitus unter dem Namen Gotonen (Gutonen; gotisch Gutans) bekannt war und heutzutage oftmals mit den Goten gleichgesetzt wird.

    Wikipedia Goten

    Die Goten entwickelten sich wahrscheinlich im Gebiet der Weichselmündung als ein polyethnisch zusammengesetzter Stammesverband.

    Einige Historiker vermuten das Stammland der Goten in Mittelschweden, wohl wegen Göteborg in Schweden, das früher auch Gotenburg genannt wurde. Archäologisch ist eine Einwanderung aus Skandinavien nicht nachweisbar.

    Martin Wehrmann Historischer Weltatlas, 1919

    Der Name wird oft vom gotischen Wort giutan (gießen) oder gutans (gegossen) abgeleitet und als Ausgießer gedeutet.

    Fundplätze von Siedlungen, 30 v. Chr.-284 n. Chr.,
    nach H. Jankuhn in: M. Much 1967, Karte3.

    Die Karte zeigt Siedlungen zum Beginn unserer Zeitrechnung; die Gegend um das spätere Bischofthum war – wenn auch schwach – bewohnt.