Über den Namen Kuchenbecker in Bischofthum

Kuchenbecker ist ein Name, der auf die Profession des Namensträgers hinweist. So wird der erste Namensträger in Städten ein spezialisierter Bäcker (tortifex, tortator) gewesen sein. Am Beispiel des Thidemann lässt sich die Entstehung des Familiennamens gut nachvollziehen: Im Stadtbuch von Stralsund (1270-1310) ist 1282 ein Thidemann cokenbekere verzeichnet, der Beiname nennt den Beruf des Thidemann, im Stadtbuch II (1310-1348) taucht er als Thidemann Kokenbekere auf, von Beruf tortifex, tortator. Auf dem Lande wird der nebenberuflich als Kuchenbäcker tätige Bauer mit diesem Namen gerufen worden sein. — Abgesehen von der Kuchenbecker-Sippe aus Liebengrün im heutigen Thüringen, bei der Kuchenbecker um 1525 ein Spottname war.

Personen namens Kuchenbecker, auch Kuchenbäcker (niederdeutsch: Kuchenbacker, Kokenbecker, Kockenbecker, Kaukenbecker), lebten wohl zu allen Zeiten im gesamten deutschsprachigen Raum, heute ist der Name weltweit neben der originalen auch in der Schreibvariante Kuchenbäcker anzutreffen oder in der jeweiligen phonetischen Schreibweise. Ein nicht mehr gebräuchliches Beispiel aus den USA ist Coochenbaker.

Frühe Nachweise zu diesem Familiennamen liegen z.B. für Rostock (1272), Stralsund (1282), Reval (Estland, zwischen 1312-1360), Osnabrück (1345), Stettin (1345), Braunschweig (1371), Wolfenbüttel (1381) und Göttingen (1399) vor.

Als Sippennester in den ehemals deutschen Ostgebieten ragen aufgrund der Namensdichte offensichtlich Bischofthum in in Hinterpommern und die sogenannte Koschneiderei in Westpreußen, südöstlich von Konitz, heraus. Diese Orte sind aufgrund ihrer relativ späten Gründung kolonisatorischer Art, aber scheinen auf unterschiedliche Art besiedelt worden zu sein.

Ab Anfang des 14. Jahrhunderts wurden vom Deutschen Ritterorden im Rahmen der so genannten Deutschen Ostsiedlung deutsche Siedler in die Koschneiderei mit den Dörfern Frankenhagen, Osterwick, Petztin, Deutsch Cekzin, Granau, Lichnau und Schlagenthin geholt. Die Siedler zogen, angeworben von den Ordensrittern, über die großen Heeresstraßen, von der Mark über den Komtursitz Schlochau in die Koschneiderei. Auf der ersten Wegstrecke standen die Siedlertrecks unter dem Schutz der Askanier bis der Templerorden deren Begleitung übernahm. Nach 1432 erfolgte wegen der Verwüstungen durch die Hussitteneinfälle eine Neubesiedelung aus der westniederdeutschen Gegend unter der tatkräftigen Förderung des Konitzer Ratsherrn Jakob von Osnabrück. Die Sprache der Koschneider war niederdeutsch, ihre Mundart gehörte zu den süd-hinterpommerschen Dialekten.

Die Besiedlung Bischofthums nahm vermutlich einen anderen Verlauf: Die Herkunftsregion der Kuchenbecker lässt sich nicht mehr eindeutig eingrenzen. Die bäuerlichen Siedler können westfälische, ostfälische oder friesische Wurzeln haben und etappenweise, verteilt über mehrere Generationen, Brandenburg durchquerend, nach Pommern gewandert sein.

Solche bereits im Kösliner Lande ansässige Untertanen des Camminer Bischofs wurden vermutlich unter der Begleitung der Brüder Bartuszewitz umgesiedelt. Einen Hinweis könnte die Sprache geben, denn die Bischofthumer sprachen niederdeutsch in der Bublitzer Variante der westhinterpommerschen Küstenmundart.

Das heißt, entweder waren Kockenbeckers aus dem Kösliner Lande bei den Bischofthumer Kolonisten, oder der Familienname entstand in Bischofthum aus der Bezeichnung der nebenberuflichen Tätigkeit.

Da Kuchen nicht zu den Grundnahrungsmitteln gehörte und die Zutaten zu den Zeiten der Einführung von Familiennamen relativ kostspielig waren, mussten schon besondere Ereignisse als Anlass für das Kuchenbacken vorliegen oder der Abnehmer über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Klöster, adlige Höfe oder die bürgerliche Oberschicht in Städten, wie z.B. in der Hansestadt Stralsund, kommen hierbei in Betracht.

Wenn nun der Kuchenbecker in Bischofthum ein solcher Hoflieferant war, muss es in der Nähe eine Burg oder ein Schloss gegeben haben, ein nahegelegenes Kloster gab es nicht.

Dieses Thema aufgreifend, äußert Dr. Bodo Koglin in seinem Beitrag zum Dorf Hölkewiese eine interessante Theorie zum Familiennamen Kuchenbecker:

Dieser Name bedarf eigentlich keiner Erklärung. Auffallend ist aber schon, dass er ausgerechnet aus einem Ort namens Bischofthum kommt. Gab es da vielleicht eine Burg, deren Herr sich einen Kuchenbäcker leistete?

Hölkewiese Namen im Kreis Bublitz

Auch Dr. Bodo Koglin unterstellt hier, dass die besonderen Fertigkeiten eines bäuerlichen Bewohners von Bischofthum namensgebend waren und dass Kuchen ein außergewöhnliches Erzeugnis war, das sich vornehmlich Burgbesitzer leisten konnten.

Das 3,5 km entfernte Baldenburg hatte eine Burg, wie der Name schon sagt, lag aber bis 1772 im Ausland (Polen). Ein Bischofthumer benötigte einen besonderen Passierschein beim Grenzübertritt. Obwohl durchaus möglich, kommt als Abnehmer des Kuchens eher das 3 km entfernte Schloss und Vorwerk Kasimirshof infrage, denn auf die dort wohnenden Herren war die Dienstpflicht der Bischofthumer gerichtet.

Von den Dienstpflichtigen könnte sich ein Bauer als Kuchenbäcker hervorgetan haben, sodass er die Burgbewohner und Vorwerksverwalter mit seinen Erzeugnissen bedient hat, insbesondere wenn zur Inspektion fürstliche Herren aus Bublitz zu Besuch nach Kasimirshof kamen.

Dafür, dass der Name dieser Sippe in Bischofthum entstand, spricht, dass die Namensgebung im 14. Jhd. in Hinterpommern noch nicht abgeschlossen war, wie wir anhand des Stadtbuchs von Stralsund am Beispiel Kokenbekere (Kuchenbecker) belegen können:

Im Stadtbuch von Stralsund (1270-1310) ist ein Thidemann cokenbekere 1282 verzeichnet, der Beiname nennt den Beruf des Thidemann, im Stadtbuch II (1310-1348) taucht er als Thidemann Kokenbekere auf, von Beruf tortifex, tortator.

Hans Bahlow

In Abweichung von der Theorie des Dr. Koglin wäre es auch möglich, dass Bischofthum mit bäuerlichen Siedlern des Namens Kockenbecker oder Kaukenbecker gegründet wurde, die ihren Namen aufgrund der besonderen Kenntnisse ihrer Vorfahren trugen. Das könnte auch bedeuten, dass die Kolonisten den Namen bereits nach Pommern einführten.

Seit wann es Kuchenbeckers in Bischofthum gab, ist nicht mehr festzustellen, denn auch die Frage vier aus der Hufenklassifikation wie lange die Bauernhufen beim Herrenhofe oder Ackerwerke geweßen? beanworteten sie lapidar mit vor ihrem Dencken.

Der (bisher) älteste Nachweis eines Kuchenbeckers in Bischofthum fand sich in der Grund- und Hypothekenakte, Band I, Blatt 6 als Ernennung des David Kockenbecker zum Frey-Schulzen durch Hauptmann George von Bonin auf Bublitz am 26.01.1658.

Mit den jeweiligen Söhnen wurden weitere Kockenbecker bzw. Kuchenbecker zu Dorfschulzen ernannt: am 28.09.1699 (David Kockenbecker), am 17.06.1713 (David Kockenbecker), am 11.05.1770 (David Kockenbecker) und am 27.03.1794 (Michael Erdmann Kuchenbecker). Letzterer verkaufte etwa um 1813 den Schulzenhof in Bischofthum und wurde Schulze in Sassenburg.

Familien mit dem Namen Kuchenbecker stellten lange Zeit die Hälfte der Dorfbevölkerung. Allerdings liegen nur wenige Belege vor, viele Dokumente sind in den Wirren des 2. Weltkrieges und während der Vertreibung verloren gegangen. Und weil die pommerschen Kuchenbeckers nicht der gebildeten Führungsschicht oder dem Adel angehörten, sind sie nicht in Biografien behandelt, geschweige denn überhaupt namentlich erfasst worden.

Beinamen

Wegen der vielen Namensgleichheiten insbesondere der Kuchenbeckers in Bischofthum sind etliche von ihnen mit zusätzlichen Bezeichnungen bedacht worden.

Zum Beispiel sind in der Ernennungsurkunde des Michael Erdmann Kuchenbecker zum Freischulzen einige Kuchenbeckers entsprechend besonderer Merkmale mit Beinamen benannt worden: Born, Bint, Kähler, Kuhl, Hörn, Dallü, Ober und Kasüsch.

Amtsgericht Bublitz I/75_1797+06+22

In anderen Schriftstücken der Grundakten tauchen die Beinamen Lueg und Ende auf. Auch eine Nummerierung mit I oder II kam vor oder der Rufname Lipsch Willi für den auf dem Lübschenhof geborenen Willi Kuchenbecker.

Wenn der Beiname Hörn einen hervorragenden Wohnplatz bezeichnet, könnte das nebenstehende Bild die Lage des Hofes von Hörn Michael Kockenbecker (um 1797) bezeichnen. Dieser Wohnplatz fällt auch vor Ort als hervorragend auf.

 

Der Beiname Ende ist der Wohnstättenname für jemanden, der am Ende des Ortes wohnte. Das Ende des Dorfes muss wohl von der Burg Kasimirshof aus gesehen werden, deren Bewohnern die Bischofthumer dienstpflichtig waren.

Einer der Bauern trug den Beinamen Lueg bzw. Lüg. Er und seine Vorgänger werden die von Baldenburg bzw. Polen kommenden Wege auf herannahende Feinde überwacht haben, denn nach der Niederlage bei Tannenburg 1410 grenzte Bischofthum bis 1772 an Polen.

Verbreitung des Namens

In der Hufenklassifikation von 1717 bis 1719 sind neben denen aus Bischofthum weitere Kockenbeckers nachgewiesen: in Hasenfier, Kreis Neustettin (1718) und im Fürstentum Cammin in Porst, Drensch und Sassenburg (1719). Außerdem taucht der Name Kuchenbecker bei der Hufenklassifikation im Dorf Kleinmantel in Kreis Königsberg/Neumark auf.

Genealogisch ist die Hufenklassifikation — sie enthält nach einer alten Schätzung 16.000 Namen — eine wichtige Quelle, weil die ländliche Bevölkerung bis weit ins 19. Jahrhundert an die Scholle gebunden war. Wenn also ein Name 1717 in einem Dorf vorkommt, findet man ihn 150 Jahre später in der Regel dort immer noch.

Pommerscher Greif e.V.

Allerdings gab es bereits um 1530 in der Neumark (Arnswalde) Kuchenbecker in der hochdeutschen Schreibung des Namens. Und — wie bereits festgestellt — lebte um 1282 in Stralsund ein Thidemann Kokenbeker. Auch in der Koschneiderei im damaligen Königreich Polen sind Kuchenbeckers bereits um 1670 nachzuweisen.

In Gust, Drawehn, Groß Karzenburg, Klein Karzenburg (Fürstentum Cammin) und in Wurchow (Kreis Neustettin, Herzogtum Hinterpommern) wurden zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine Kuchenbeckers festgestellt, dieser Name taucht in den genannten Orten erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Dagegen erfasst der Geistliche Rezess von 1875 einige Kuchenbeckers in Groß und Klein Karzenburg, Linow, Mühlenkamp und wiederum in Porst.

Aus der Anzahl der Namensträger zu schließen, war Bischofthum ein Sippennest der Kuchenbeckers. Außerdem scheint das Dorf das Zentrum der Verbreitung des Familiennamens in Hinterpommern gewesen zu sein. Die Bischofthumer Kuchenbeckers orientierten sich — als die strikte Schollenbindung gelockert wurde — im späten 18. Jh. nach Osten (Kreis Schlochau) und ab Mitte des 19. Jh. auch nach Süden und Westen (Kreis Neustettin) und nach Norden (Kreis Rummelsburg).

In einem Aufsatz listet A. von Livonius die kurz nach 1700 in den nahe Bischofthum gelegenen Kreisen Stolp, Schlawe und Rummelsburg vorkommenden Namen auf. Kuchenbecker war nicht darunter! Ein weiterer Beleg für die Schollenbindung und für die Undurchlässigkeit der Grenze zwischen dem Ordensland und dem Bischofthumer Land ist das Verzeichnis der Baldenburger von 1772, der Name Kuchenbecker taucht darin nicht auf.

Der Familienname Kuchenbecker wurde in Bischofthum mit der Vertreibung im Jahre 1946 ausgelöscht.

Besonderheiten

Folgende, auf — vermutlich amerikanischen — Stammbaumprofilen basierende Fakten nennt mundia by ancestry.com für Personen mit dem Nachnamen Kuchenbecker:

leben länger als der Durchschnitt
Lebenserwartung: 69,9 (vs. 66,5)
haben kleinere Familien als der Durchschnitt
Kinder: 2,1 (vs. 2,7)
heiraten in jüngerem Alter als der Durchschnitt
Heiratsalter: 23,6 (vs. 28,1)