Über den Freyschulzenhof in Bischofthum

Der Frey- und Lehnschulze David Kockenbecker starb um 1776 im Alter von 48 Jahren, nämlich zu früh, denn seine Kinder waren noch sämtlich minderjährig: Joachim Friedrich war 1762 geboren, David Friedrich 1766, Michael Erdmann 1769 und Barbara Catharina 1776.

Beim Erbrezess am 20.03.1777 wurden die Kinder von ihren Vormündern vertreten und die Witwe durch ihren Bräutigam, den Freymann Johann Engwer unterstützt.

Vertraglich wurde bestimmt, dass die Witwe den Hof mit ihrem Bräutigam bewohnen darf, bis einer der Unmündigen majorenn wird und den Schultzen Hof antreten will und kann, und darüber Consens eingehohlet wird, aber auch daß dem jüngsten Sohn sein Lehn Recht auszuführen offen gelassen wird.

Die Witwe wurde verpflichtet, die Kinder bis zu deren 15. Lebensjahr christlich und ordentlich zu erziehen, zu Schule zu halten, zu Gottes Erkenntniß zu bringen und in Essen und Trinken und Kleidung zu unterhalten. Aber wenn einer der älteren Unmündigen den Hof übernimmbt er auch die jüngeren Unmündigen in Verpflegung übernehmen müsse.

Außerdem war die Witwe aufgefordert, den Hof an den neuen Freyschulzen in Dach und Fach untadelhaft abzuliefern einschl. des vorhandenen, von den Vormündern festgestellten Inventars. Von dem Wert des Inventars sollte die Witwe die Hälfte, also 298 rt 6 sgr 6 Pf, erhalten und die 4 Kinder die andere Hälfte zu je einem Viertel, folglich 74 rt 13 sgr 7 ½ pf. Daneben lastete auf dem Hof die Verpflichtung, dass die Tochter bey ihrer Verheirathung ein anständiges Ehrenkleid und ein vollständiges aufstehendes Bette oder 16 rt 16 sgr an Gelde erhalte.

Am 15.09.1790 verzichtete Joachim Friedrich, inzwischen Bürger und Radmacher in Hammerstein, auf seine Ansprüche und überließ seinem Bruder Michael Erdmann den Freischulzenhof. Am 20.03.1792 tat David Friedrich, nun Mousquetier, das gleiche. 1794 übernahm Michael Erdmann den Freischulzenhof, am 12.03.1798 erhielt er seine Erbverschreibung und Bestätigung als Freischulze. Michael Erdmann heiratete die Tochter Henriette des Schulzen Johann Giese aus Sassenburg und war nach dem Tod seines Schwiegervaters seit 1812 dort Schulze. Den Freischulzenhof in Bischofthum verkaufte er 1813 an den Oeconomie Inspektor Johann Christian Lemke aus Borntin. 1831 wurde der Lehn- und Freischulzenhof subhasta gestellt, d.h. zwangsversteigert. Doch die Versteigerung war erst möglich, nachdem die Lehnsberechtigten aus der direkten bzw. einer Seitenlinie, der Bruder von Michael Erdmann und Stellmacher Joachim Kuchenbecker zu Hammerstein und deren Cousin und Bauer Christian Friedrich Kuchenbecker in Rummelsburg, ihren Ansprüchen gerichtlich entsagt hatten.

Am Beispiel dieser Geschichte lassen sich einige Besonderheiten aus früherer Zeit erläutern.

Vormünder

Für minderjährige Kinder wurden grundsätzlich Vormünder bestellt, deren Aufgabe war es, die Rechte der Unmündigen zu wahren und sie vor Übervorteilung durch z.B. die Miterben zu schützen. Mit Eintritt in die Volljährigkeit wurde den Miterben bescheinigt, dass es keine Ansprüche gegen sie gab, und die Vormünder und das Vormundschaftsgericht wurden von deren Mündeln förmlich aus der Pflicht entlassen sowie ihre Aufgabenerfüllung dokumentiert.

Vererbbares Lehnsrecht, Mannslehen

Der Freischulzenhof war ein vererbbares Mannslehen, d.h., den Hof und das Amt konnte bis zur Bauernbefreiung nur ein männlicher Nachkomme des Freischulzen übernehmen. Wenn der Freischulze ohne männlichen Erben verstarb, konnten ersatzweise der neue Ehemann der Witwe oder der Ehemann einer Tochter mit dem Hof belehnt werden. Vorher überzeugte sich das Domänenamt von der Eignung des Kandidaten.

Die diesem Recht zugrundeliegende Idee war wohl der Erhalt der besonderen Kenntnisse des Freischulzen. Daneben galt die Führung eines Hofes, insbesondere die des Freischulzenhofes als Männerarbeit, nur ein Mann hatte vermeintlich die für die schwere Feldarbeit notwendigen Körperkräfte und galt insgesamt als durchsetzungsstärker. Denn zu den Pflichten eines Schulzen gehörte z.B. auch,

  • die vom Amte verlangten Scharwerks-Dienste anzukündigen und die Bauern zur Leistung anzuhalten,
  • die Viehställe auf ausreichende Größe und geeignete Bauausführung zu prüfen und die erforderlichen Verbesserungsmaßnahmen einzufordern,
  • bei Kontrollgängen auf ausreichende und richtige Fütterung und Tränkung des Viehs zu achten,
  • frei umherlaufendes Vieh zu pfänden und erst gegen eine Strafgebühr herauszugeben und
  • die üblen Wirthe anzuzeigen.

Das Schulzenamt war also durchaus geeignet, sich Feinde zu machen.

Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen

Hofbesitzer waren grundsätzlich verpflichtet, die Gebäude und Pertinenzien zu warten und zu erhalten. Das notwendige Holz zur Reparatur oder dem Neubau von Gebäuden stellte der Grundherr zur Verfügung. Pertinenz ist ein Zubehör im rechtlichen Sinn: Sache oder Recht als rechtlicher Bestandteil einer anderen Sache. Als Pertinenzien wurden in diesem Falle die Gebäude, Äcker, Wiesen, Koppeln, Wurten und Gärten des Schulzenhofes bezeichnet.

Schulpflicht

Aufgrund einer Verordnung von König Friedrich Wilhelm bestand seit 1717 die allgemeine Schulpflicht. Die Akzeptanz auf dem Lande war jedoch gering. Denn bis weit in das 19. Jahrhundert hinein kam der Landmann ohne Lesen und Schreiben aus und höhere Ämter waren sowieso den Adligen vorbehalten. Die in den bäuerlichen Betrieben notwendige Arbeitskraft der Kinder wurde erheblich wichtiger als deren Schulbildung angesehen. Es spricht für die Weitsicht der Vormünder der Kinder Kockenbecker, dass sie von der Mutter verlangten, die Kinder bis zu deren 15. Lebensjahr zum Schulbesuch anzuhalten, auch wenn das Ziel des vom Staat verordneten Unterrichts niedrig gesetzt war, denn noch 1763 begleitete Friedrich der Große die Reformierung des Schulwesens eher argwöhnisch, weil er befürchtete, dass die Bauernkinder, wenn sie mehr als das Nötigste lernten, in die Städte laufen und Sekretairs werden wollen.

Erbverschreibung

Die Erbverschreibung wurde von den Beamten des Königl. Preußisch Pommerschen Amtes in Bublitz ausgestellt und Michael Erdmann Kockenbecker zu einem Schultzen-Wirth und Lehns-Besitzer des Schultzen-Hofes zu Bischofthum bestellt, mit allen Recht und Gerechtigkeiten, so wie solche von seinen Vorfahren beseßen und genutzet oder beseßen und genutzet werden mögen dergestalt und also, daß er solchen als sein wohl erworbenes Lehn nutzen und gebrauchen, solchen so weit es nach den Lehn Rechten zuläßig verschenken, vertauschen, verkauffen, verpfänden und sein oder der Seinigen mänlichen Erben entweder nach den ordentlichen Erbgängen oder durch ein Testament verlaßen könne, …. Obereigentümer mit Vorkaufsrecht blieb das Domänenamt. Aber ansonsten zog sich der Grundherr völlig aus seiner Versorgungspflicht zurück und übertrug auch diese Aufgabe dem nun freien Bauern: muß er die Gebäude sowohl in Reparatur als Umbauten völlig aus eigenen Mitteln unterhalten und verfertigen, auch sich das Bauholtz ex propriis (nicht vom ehemaligem Eigentümer, d.V.) anschaffen, überhaupt aber nicht die geringste Beyhülfen, weder an Holtz, Materialien, Fuhren oder Baufreyheits Gelder vom Amte entweder bey Reparaturen oder Neubauten fordern, …. Und gegen Schadensfeuer musste er sich auch selbst versichern.