Kuchen backen zu können oder zu dürfen, war wegen der kostbaren Zutaten zum Zeitpunkt der Namensentstehung ein Privileg. Kuchenbäcker war deshalb ein angesehener Beruf, und seine Produkte dienten nicht der Grundversorgung der Bevölkerung. Die Entwicklung des Feingebäcks soll auf Klöster zurückgehen. So kann es nicht verwunderlich sein, wenn die Spezialisierung von Bäckern zuerst an Klöstern und Fürstenhäusern gefördert wurde, die mit einem besonderen Speisen-Angebot ihre Gäste verwöhnen und ihr Ansehen steigern wollten. Diese spezialisierten Bediensteten der Klöster und Adelshäuser könnten dann den Namen Kuchenbecker verliehen bekommen haben; bzw. dessen dialektales Namens-Äquivalent. Wenn dieser Zusammenhang für die Entstehung des Berufes und des Familiennamens ursächlich war, so ist eine relativ große räumliche Streuung der ersten Namensträger anzunehmen.
Vorstellbar ist auch, dass die relativ seltene Nachfrage nach nicht alltäglichem Gebäck von nebenberuflich als Bäcker tätigen Bauern erfüllt wurde. Diese Stufe der Namensgebung wird im Nachgang zur Entwicklung der Rezepte an Klöstern und Fürstenhäusern stattgefunden haben.
Der notwendige Kontakt zu einkommensstarken und gebildeten Bevölkerungsschichten wird einige Kinder von Kuchenbäckern motiviert haben, sich eine höhere Bildung anzueignen. Wir kennen z.B. Johann Kockenbecker, um 1550 Bürgermeister zu Werden, Michael Kuchenbecker und Alexander Kockenbecker, Juristen in Arnswalde (um 1530) und Werden (um 1609) sowie den Johann Philipp Kuchenbecker (1703-1746), Regierungsarchivar in Kassel. Der Magister Hans Heinrich Kuchenbecker, Kabinettssekretär des Kurfürsten Friedrich August des Gerechten um 1790, entstammt allerdings der Linie des Althans beim Teiche aus Liebengrün, der mit dem Namen Kuchenbecker verspottet wurde.
Diese Tendenz, seinen beruflichen Status anzuheben, wird ein Grund sein, weshalb die Söhne eines nach seinem Beruf Benannten einen anderen Beruf ergriffen. Notzeiten könnten jedoch das Gegenteil erforderlich machen, nämlich das Ausweichen auf einen Berufsstand, der den Lebenserhalt ganz unmittelbar sichert, zum Beispiel die Fortsetzung des Berufslebens eines Bäckers als Bauer. Einen Hinweis auf solche Begebenheiten könnten die Verbote Kuchen zu backen sein:
Kuchenbacken verboten
1770/71
Von einer allgemeinen Teuerungswelle blieb Oberreichenbach 1770/71 nicht verschont. Die Preise für Korn und Weizen schnellten in die Höhe und aus diesem Grund setzten sich (erst!) jetzt der Kartoffelanbau in unserem Gebiet durch. Die Hungersnot, in erster Linie auf schlechte Ernten zurückzuführen, war miteiner ansteckenden Seucheverbunden. In der Pfarrei starben in den genannten Jahren 50 Personen, das waren doppelt so viele wie in den Jahren zuvor. Bedenkt man, dass die Menschen gezwungen waren, den Brotteig mit Erbsenmehl, ja manchmal sogar mit Sägespänen zu strecken, dann kann man sicher verstehen, wie groß die Hungersnot gewesen sein muss; und auch der Erlass des Bamberger Fürstbischofs wird verständlich, wonach das Kuchenbacken und das Stäuben der Perücken mit feinem Weizenmehl verboten wurde.
Johannes Kress Oberreichenbach
1915
23. Februar 1915 – In Berlin werden Bezugsmarken auf Brot eingeführt.
23. März 1915 – In Charlottenburg wird das Kuchenbacken verboten!
Ereignisse in Berlin und im Berliner Nahverkehr
1947
Angesichts der kritischen Versorgungslage verbot [Mitte des Jahres 1947] Landrat Gräf allen Bäckereien des Kreises Kreuznach das Kuchenbacken. Für sämtliche Verbraucher durfte nur noch eine Sorte Brot gebacken werden. Für Kranke wurden Bäckereien bestimmt, bei denen sie gegen Attest Krankenbrot erhielten.
Solche Backverbote oder Mangelzeiten, die die Berufsausübung erschwerten, gab es sicher bereits vor den oben dokumentierten.
Das Ausweichen auf andere Berufe ist aber auch mit der Unteilbarkeit des Erbes zu erklären (Erstgeburtsrecht) und mit dem begrenzten Markt, sodass nicht erbberechtigte Kinder sich anderen Erwerbszweigen zuwenden mussten.
Und selbstverständlich gab es auch früher schon die Hinwendung zu dem attraktiven Beruf, sodass etliche Kuchenbäcker einen berufsfremden Namen tragen, beispielsweise Christian Geringmuth, Georg Hocke, George Lietsch, Stephan Matitzschka, Christoff Petterßen, Hans (2) Springer, deren Beruf Kuchenbäcker war und die sich als Exulanten aus Böhmen im 17. Jh. in Dresden und Meißen niedergelassen haben, sowie die Eheleute Winand Schlecht, die im 18. Jh. Kuchenbäcker und Bürger zu Köln waren.