Über eine Schulmeisterwahl

Eine Schulmeisterwahl in Pommern aus dem Jahre 1729

Ein Herr Konrad Fischer hat eine Geschichte des deutschen Volksschullehrerstandes verfasst und die Köln. Zeitung veröffentlichte daraus ein wundervolles Prüfungsprotokoll über die Wahl, die 1729 auf einem pommerschen Dorfe abgehalten wurde:

Nachdem auf geschehenes tödtliches Ableben des bisherigen Schulmeisters sich nur fünf Liebhaber gemeldet, so wurde zuvörderst vom Pastor wie in einer Betstunde nach Matth. 18, 19-20 die Gemeinde zu herzlicher Erbittung göttlicher Gnade zu diesem wichtigen Geschäfte erinnert, sodann in der Kirche vor Augen und Ohren der ganzen Gemeinde die Singprobe mit denen Bewerbern fürgenommen und nach deren Endigung dieselben im Pfarrhaus von Endes unterschriebenen Personen noch weiter auf folgende Art und Weise tentiret:

  1. Martin Ott, Schuster allhier, 39 Jahre des Lebens alt, hat in der Kirche gesungen: a) Christ lag in Todesbanden, b) Jesus meine Zuversicht, c) Sieh, hier bin ich, Erdenkönig. Hat aber noch viel Melodie zu lernen, auch könnte seine Stimme besser sein. Gelesen hat er Genesis 10, 26 bis aus, buchstabirte V. 16 bis 29. Das Lesen war angehend, im Buchstabiren machte er zwei Fehler. Dreierlei Handschriften hat er gelesen – mittelmäßig; drei Fragen aus dem Verstand beantwortet – recht; aus dem Catechismo de se. coena und die 34. Frage recitiret ohne Fehler; drei Reihen dictande geschrieben – vier Fehler; des Rechnens ist er durchaus unerfahren.
  2. Jacob Maehl, Weber aus D., hat die Fünfzig hinter sich, hat gesungen: a) O Mensch, beweine dein usw.; b) Zeuch ein zu deinen Thoren usw.; c) Wer nun den lieben Gott usw.; Doch Melodie ging ab in viele andere Lieder, Stimme sollte stärker sein, quäkte mehrmalen, so doch nicht sein muss. Gelesen Josua 19, 1–7 mit 10 Lesefehlern; buchstabirte Josua 18, 28–26 ohne Fehler. Dreierlei Handschriften gelesen – schwach und mit Stocken; drei Fragen aus dem Verstand; hierin gab er Satisfaction. Aus dem Catech. den Decalog und die 41. Frage recitiret ohne Fehler; dictando drei Reihen geschrieben – fünf Fehler; des Rechnens auch nicht kundig.
  3. Philipp Hopp, Schneider aus G., schon ein alt gebrechlicher Mann von 60 Jahren, sollte lieber zu Haus geblieben sein als sich dies vermessen. Hat gesungen: a) Ein Lämmlein geht usw.; b) Mitten wir im Leben usw. Stimme wie ein blökend Kalb, auch öfter Malen in unrechte Lieder verfallen. Gelesen Josua 10, 6-13 – gar jämmerlich; buchstabirte 18, 22–23 mit viel Anstoßen; das große D ein Stein des Anlaufens, kam endlich rüber. Drei Fragen aus dem Verstand – blieb fest sitzen. Dreierlei Handschriften gelesen, schon im Anfang gesagt, dass er nicht erfahren sei. Dictando nur drei Wörter geschrieben – mit Mühe zu lesen. Rechnen ganz unbekannt, er zählte an den Fingern wie ein klein Kind. Wurde ihm gemeldet, dass er thöricht gehandelt habe, sich zu melden, was er auch mit Thränen und Seufzen bekannt.
  4. Johann Schütt. Ein Kesselflicker von allhier, hat gesungen: a) O Ewigkeit, du Donnerwort u.s.w.; b) Eins ist Noth u.s.w.; c) Liebster Jesu, wir sind hier u.s.w. mit ziemlichem Applause Gelesen und buchstabiret Genesis 10, 13–18, auch nicht uneben. Beim Catech. Bemerkte man, dass er sothanen Stücken noch nicht im exercitio stehet. Dictando drei Reihen geschrieben – ging an, was Buchstaben betrifft, doch zehn Fehler! Des Rechnens nur im Addiren erfahren.
  5. Friedrich Loth, ein Unteroffizier aus Schl. so im Hochedlen von Grumkow’schen Regiment den Feldzug gegen die Schweden gemacht und alldort ein Bein verloren, hat gesungen: a) Christ lag in Todesbanden u.s.w.; b) Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr u.s.w. gut, starke Stimme, doch fehlt die Melodie im Ganzen, fiel einmal in ein ander Lied. Dreierlei Handschriften fertig gelesen. Gelesen und buchstabiret Genesis 10, 13–18 ging ziemlich; Catech. – wohl inne. Vier Fragen aus dem Verstand – ging ziemlich. Dictando drei Reihen, doch mit acht Fehlern; Rechnen – Addiren und bißchen Subtrahiren inne.

Es wurde nun einmüthig davon gehalten, dass Jakob Maehl wohl der capabelste, allein da derselbe fremd und ohne Vermögen, haben etliche Anwesende dem Pastori angelegen, dass er zu einem bekannten Manne incliniren wolle, ob sie schon wissen, dass er die größte Mühe mit ihm haben werde, ihn zu informiren, er sei gar nicht so schlecht und erbötig, Informationen anzunehmen; item sei seine Aufführung bekannt und gut, wogegen den anderen, namentlich dem Kesselflicker, nicht zu trauen, sintemalen er viel durch die Lande streiche, dagegen der Kriegsknecht wohl die Fuchtel gegen die ar-men Kindlein zu stark zu gebrauchen in Verdacht zu nehmen sei, was denen mitleidigen Müttern doch sehr ins Herz stechen und wehe thun könnte; auch sei zwischen rohen Soldaten und solchen Würmlein doch ein Unterschied zu setzen. Pastor ließ nun votiren und wurde Jakob Maehl einstimmig erwählet. Da nun selber Jakob Maehl allezeit bonnae famae gewesen und die ganze Gemeinde Pastorem darum bitten, so giebt auch dieser im Vertrauen auf Gottes Segen gemeldetem Maehl sein Votum ab. Nach abgelegten votis wurde solchem der Entschluss nebst erforderlicher Erinnerung und Vorhalten eröffnet, auch angezeigt, dass er flugs anziehen sollte. Hierauf wurde bei herzlichem Segenswunsche des Pastoris mit dessen und der ganzen Gemeinde Befriedigung, auch beiderseitiger Einigkeit solches Protocoll verfasset und unterschrieben.