Grundsätzlich waren für eine Eheschließung bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorrangig familiäre, soziale, wirtschaftliche und politische Interessen ausschlaggebend. Zuneigung und Liebe spielten dagegen kaum eine Rolle.
So zum Beispiel bestimmte das Preußische Allgemeine Landrecht vom 1. Juni 1794 (Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten) als den Zweck und die einzigen Grundlagen der Ehe: Kinderzeugung und Erziehung, sowie gegenseitige Unterstützung.
Transparent wurde diese Grundlage der Ehe über die Mitgift, die die Braut mit in die Ehe zu bringen hatte. Neben dem materiellen Aspekt war der Hauptzweck einer Ehe die biologische Reproduktion, Kinder sollten gezeugt, geboren und aufgezogen werden.
Bis zur Bauernbefreiung mussten die Heiratswilligen eine Erlaubnis der Obrigkeit und das Einverständnis der Kirche einholen, daneben musste der Vater der Heirat zustimmen. Ohne Trauschein des Gutsherrn durften Pastoren keine kirchlichen Trauungen vornehmen.
Voraussetzung für die Erteilung des Ehekonsenses durch die Obrigkeit war eine hinreichende materielle Grundlage, der Besitz eines bäuerlichen Anwesens, eines Handwerksbetriebes oder die Verdingung als Tagelöhner bei einem Bauern. Die Obrigkeit war im Falle von Bischofthum die Domänenverwaltung und nach deren Auflösung die Gemeinde. Der Grund für diese Beschränkung lag hauptsächlich in der Befürchtung, dass die Besitzlosen überhand nehmen und damit der unterhaltspflichtigen Domänenverwaltung bzw. der Gemeinde zur Last fallen könnten. Vor der Agrarreform entsprang diese auffällige Kontrolle der Eheschließungen der Notwendigkeit, den begrenzten Nahrungsspielraum durch die Einschränkung der Ehefähigkeit und Kontrolle der Geburtenrate zu sichern.
Damit eine Ehe gegen den Willen des Grundherrn nicht erzwungen werden konnte, durften Ledige keine Kinder zeugen. Überwiegend war die ungenoßsame
Ehe mit Untertanen eines anderen Grundherrn verboten. Auch deshalb waren Dörfer übergreifende Ehen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nur innerhalb der Grenzen des Amtes Bublitz möglich.
Eine Ehe war auch abhängig von der Einwilligung der Väter bzw. der Eltern von Bräutigam und Braut. Die Zustimmungspflicht führte oft zu der Heirat innerhalb einer bestimmten sozialen Schicht. In dieser Praxis kommt die große Bedeutung der Ehepartner für die jeweilige Hauswirtschaft zum Ausdruck, denn insbesondere in Handwerker- und Bauernfamilien waren berufsspezifische Erfahrungen für den Erfolg einer Ehe entscheidend. So heiratete ein Handwerker gerne die Tochter eines Zunftgenossen, oder die Schulzenkinder untereinander, wie am Beispiel des Bischofthumer Freischulzen Michael Erdmann Kuchenbecker nachvollziehbar, der die Schulzentochter aus Sassenburg ehelichte.
Die heiratsstiftende Institution war die Kirche; nur der Priester hatte das Recht, die Ehe zu vollziehen. Die Einstellung zur Ehe insgesamt wurde maßgeblich von der Kirche beeinflusst. Die Kirche versagte ihre Zustimmung zum Beispiel bei Verletzung der Standesgrenzen, bei zu hohem Alter, bei Blutsverwandtschaft, bei zeitlich begrenzten Gelübden und bei Bekenntnisverschiedenheit. Zahlreiche Bibelstellen wie z.B. Ordnet einander unter in der Furcht Christi, die Frauen ihren Männern wie dem Herrn …
(Eph.5.31) interpretierte die Kirche als eine von Gott gewollte niedere Stellung der Frau.
Das Trienter Konzil bestimmte 1562–1563 die Proklamationen, die Ankündigungen einer Ehe, als Bestandteil des Sakraments der Ehe:
[…] so befiehlt [die heilige Synode] […], dass künftighin, bevor die Ehe eingegangen werde, von dem eigenen Pfarrer Derer, die sie eingehen wollen, öffentlich in die Kirche bei der Feier der Messe dreimal an drei aufeinander folgenden Festtagen verkündigt werde, Welche die Ehe eingehen wollen, und dass, wenn nach diesen geschehenen Verkündigungen kein rechtmäßiges Hindernisse entgegengestellt wird, im Angesichte der Kirche (Gemeinde) zur Feier der Ehe geschritten werde.
Universität Münster Proklamationen
Standesregister zur Dokumentation der Taufen, Trauungen und Todesfälle wurden ursprünglich ausschließlich von der Kirche geführt. Nach den Bestimmungen des am 1. Juni 1794 in Kraft getretenen Preußischen Allgemeinen Landrechts waren die Pfarrer verpflichtet, neben den normalen Kirchenbüchern Zweitschriften anzufertigen oder (z.B. von den Küstern) anfertigen zu lassen und diese jährlich bei den zuständigen Gerichten abzuliefern, das waren bis 1848 die Domänenjustizämter, dann die Kreisgerichte.
Nicht nur die Kirche wies Frauen einen niederen Rang zu, selbst vor Gericht hatten die Frauen geringere Rechte. In den Grundakten aus früherer Zeit sind Frauen häufig nicht einmal namentlich erwähnt. Die Missachtung der Frauen kam auch in der Geringschätzung von ledigen Müttern zum Ausdruck. Wegen der angedrohten strafrechtlichen Verfolgung bis hin zur Todesstrafe brachten viele ledige Mütter ihre Kinder um.
Sogar noch im frühen 19. Jhd. verließen ledige Mütter wegen der erlittenen Schmähungen ihr Dorf. Die zwanzigjährige Dorothea Kuchenbecker ging um 1835 von Bischofthum mit ihrem unehelich geborenen Sohn fort und siedelte in Rittersberg, Kreis Schlochau. In anderen Fällen der Eheverweigerung soll der Vater des Kindes als Taufpate genannt worden sein.
Mit der persönlichen Freiheit der Landbevölkerung entfiel 1811 auch die bisherige Pflicht, vom Grundherrn einen Ehekonsens zu erwirken. Die Freiheit der Eheschließung trug zu einer Erhöhung der Geburtenziffer bei und letztlich zur Zunahme besonders der ländlichen Bevölkerung.
Die Erbfälle bei den wegen der hohen Sterblichkeitsrate häufig vorkommenden Mehrfachehen waren bereits 1663 in den Weistümern geregelt:
Zur zweyten Ehe soll kein Kirchgang oder Copulation verstattet werden, bevor den Kindern erster Ehe Vormünder bestellt, mit denselben abgetheilt, ein Inventarium errichtet und in allem nach der Landesordnung verfahren worden. 1663. Febr. Sr. 1664. Jun. 4/14. Sr 1666, Jun. 4. H. Widrigenfalls soll eine solche Person, auch der, welcher eine Wittwe heurathet, mit 30 fl bestraft werden. 1682. Nov. 10.
Weisthum der Gesetze, Ordnungen und Vorschriften
Personenstandsbücher führte die Kirche bis in den preußischen Staaten das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung vom 9. März 1874 erlassen und am 1. Oktober 1874 wirksam wurde. Danach waren für die Führung der Personenstandsregister und zur Beurkundung des Personenstandes die staatlich bestellten Standesbeamten zuständig.
Mit diesem Gesetz wurden die die Standesämter und die standesamtliche Registerführung sowie die Zivilehe verpflichtend eingeführt.
Dieses preußische Gesetz vom 9. März 1874 löste am 6. Februar 1875 ein inhaltlich gleichlautendes Reichsgesetz ab.
Wikisource Personenstands-Gesetz
1894 wurde Das preußische Eherecht und das Recht der Eltern und Kinder im Gebiete des Allgemeinen Landrechts mit Einschluss des lübischen Rechts und der Pommerschen Bauernordnung
erlassen.
Die Bestimmungen des Eherechts waren seit dem 1. Januar 1900 Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Die seit 1933 regierenden Nationalsozialisten verankerten im Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 und im Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes vom 18. Oktober 1935 ihre Ideen von Rassereinheit
und der Überlegenheit der arischen Rasse
.
Am 4. Mai 1998 erfolgte die Rückführung der Inhalte des Ehegesetzes in das Bürgerliche Gesetzbuch.